Ein Gastbeitrag von Ulrike Röttger
Es ist unbestritten, dass die Zukunft der PR durch Digitalisierung, die Nutzung großer Datenmengen, automatisierter Kommunikation und den Einsatz künstlicher Intelligenz geprägt sein wird. Diese neuen Technologien werden die PR und die Art und Weise, wie Kommunikationsprozesse in Zukunft analysiert, geplant und gesteuert werden, weitreichend verändern (siehe auch Wiencierz & Röttger 2017).
Dabei zeigt sich, dass die aktuelle Diskussion über den Einsatz dieser neuen Technologien in der strategischen Kommunikation zwischen unkritischer Überhöhung einerseits und einseitiger Verdammung andererseits pendelt. Eine einseitige Überhöhung ist es zum Beispiel, wenn davon ausgegangen wird, dass mittels Big Data und künstlicher Intelligenz (KI) alle (kommunikativen) Beziehungsprobleme einer Organisation durch eine individualisierte Stakeholderansprache in Echtzeit gelöst werden können und – sollte doch einmal etwas schieflaufen – mittels prädiktiver Datenanalysen Beziehungskrisen zuverlässig und mit ausreichendem zeitlichem Vorlauf vorhergesagt werden können. Auf der anderen Seite scheint es aber auch nicht angemessen, den Einsatz neuer Technologien wie etwa von Social Bots grundsätzlich zu verdammen, nur weil deren aktueller Einsatz teils problematisch und ethisch fragwürdig ist. Zu denken ist hier etwa an den manipulativen Einsatz von Social Bots während der Brexit-Abstimmung (vgl. Howard & Kollanyi, 2016) und der US-Wahl 2016 (vgl. Bessi & Ferrara, 2016) sowie der Wahl zum deutschen Bundestagspräsidenten 2017 (vgl. Neudert et al., 2017). Die manipulative Ausrichtung derartiger automatisierter, algorithmenbasierter Kommunikation, die eingesetzt wird, um mit Nutzer_innen sozialer Netzwerke zu interagieren, ist ohne Frage ein gravierendes Problem. Der Einsatz sollte aber den Blick nicht verstellen für die positiven Potenziale, die z.B. Chat Bots im Bereich der Kunden- bzw. Stakeholderkommunikation haben können.
Die kurz skizzierten Beispiele machen deutlich, dass es nicht die Technik an sich ist, die per se problematisch ist. Diese Erkenntnis ist natürlich nicht neu, galt und gilt sie doch für alle Medien- und Kommunikationsinnovationen. Damit wird aber deutlich, dass sich der Blick vielmehr auf die Art und Weise des Umgangs mit diesen Technologien richten muss und damit auf die Frage, wie Kommunikationsexpert_innen verantwortungsvoll mit Big Data und Künstlicher Intelligenz umgehen können. Die seit Mai 2018 geltende europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stellt den gesetzlichen Rahmen, entlässt die Kommunikationsbranche aber nicht aus der Verantwortung, sich mit den ethischen Herausforderungen des Einsatzes von KI und Big Data zu befassen und sich auf kommunikationsspezifische ethische Leitlinien zu verständigen. Denn bestehende Kodizes wie der Deutsche Kommunikationskodex bieten einen ersten Orientierungsrahmen, sind aber nicht spezifisch genug auf die Besonderheiten und die neuen Herausforderungen, die sich aus dem Einsatz von KI und Big Data ergeben, ausgerichtet.
Die Akademische Gesellschaft für Unternehmensführung und Kommunikation hat in Anlehnung an bestehende Kodizes ethische Leitlinien für die Nutzung von Big Data in der strategischen Kommunikation formuliert (Wiencierz et al. 2017, S. 25-26; siehe auch Wiencierz 2018), die Ausgangspunkt für einen branchenweiten Selbstverständigungsprozess über den Umgang mit Big Data und Künstlicher Intelligenz sein können:
„Kommunikatoren …
- kommunizieren, welche Ziele mittels der Big-Data-Anwendungen erreicht werden sollen.
- machen kenntlich, welche Daten auf welche Weise gesammelt und gespeichert werden.
- kommunizieren, wie die Daten konkret analysiert werden.
- machen deutlich, wie verlässlich die Generierung, Analyse sowie die Ergebnisse der Big-Data-Anwendungen sind.
- kommunizieren offen, aufrichtig und wahrhaftig über die eigene Anwendung von Big Data.
- unterlassen es, Dritte bezüglich der Anwendung von Big Data zu täuschen oder irrezuführen.
- unterlassen es, bestimmte Menschengruppen durch die Anwendung von Big Data zu diskriminieren.
- sind dem Auftraggeber verpflichtet und kommunizieren im Sinne des Auftraggebers transparent über die Big-Data-Anwendungen.
- übernehmen nur Aufgaben im Bereich der Datennutzung, die mit den Gesetzen der jeweiligen Länder in Einklang stehen.
- beherrschen die Instrumente und Methoden, um Daten verlässlich zu generieren und auszuwerten.“ (Wiencierz et al. 2017, S. 26).
Die Leitlinien verdeutlichen zum einen, dass Transparenz im Kontext des Einsatzes von Big Data und Künstlicher Intelligenz eine Schlüsselstellung einnimmt: „Um die Nutzung dieser Technologien sowohl im Unternehmen als auch in der Unternehmenskommunikation zu legitimieren, ist Vertrauen nötig. Vertrauen kann jedoch nur wachsen, wenn die Kommunikation mehr Transparenz zur Verwendung von Big Data schafft: Welche Daten werden gesammelt? Wie werden sie gespeichert? Wie werden sie ausgewertet?“ (Wiencierz et al. 2017, S. 26).
Zum anderen thematisieren die Leitlinien wichtige Kompetenzanforderungen: Ein verantwortungsvoller und auf Transparenz ausgelegter Umgang mit KI und Big Data erfordert spezifische Kompetenzen auf Seiten der Kommunikator_innen. Kommunikator_innen von morgen benötigen neben dem klassischen PR-Wissen und -Kompetenzen und einer allgemeinen Datenaffinität Data & Media Literacy, d.h. die Fähigkeit zum reflexiven Umgang mit komplexen Datenstrukturen und ein problemorientiertes Verständnis von öffentlichen Kommunikationsprozessen im digitalen Zeitalter.
Beide Aspekte – ethischer Umgang mit neuen Technologien in der Kommunikationspraxis und Data & Media Literacy stellen nicht nur für die Kommunikationspraxis, sondern auch für die hochschulgebundene PR-Ausbildung zentrale Herausforderungen der nächsten Jahre dar. Es bleibt also spannend!
Über die Autorin
Ulrike Röttger, Dr. phil., ist seit 2003 Professorin für Public Relations-Forschung an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Studium der Journalistik und Raumplanung an der Universität Dortmund und Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FH Hannover, Universität Hamburg und Universität Zürich. Promotion 1999 an der Universität Zürich. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen: PR-Theorie, kommunale Kommunikation, CSR-Kommunikation, Vertrauen und strategische Kommunikation, PR-Beratung.
Literatur
Bessi, A., & Ferrara, E. (2016). Social bots distort the 2016 U.S. Presidential election online discussion. First Monday, 21(11). http://firstmonday.org/article/view/7090/5653. Zugegriffen: 20. Mai 2018.
Howard, P. N., & Kollanyi, B. (2016). Bots, #StrongerIn, and #Brexit: Computational Propaganda during the UK-EU Referendum. COMPROP, Research Note 2016.1, 1–6.
Neudert, L.-M., Kollanyi, B., & Howard, P. N. (2017). Junk News and Bots during the German Federal Presidency Election: What Were German Voters Sharing Over Twitter? COMPROP, DATA MEMO 2017.2, 1–5.
Wiencierz, Christian. (2018). Vertrauen in gemeinwohlorientierte Big-Data-Anwendungen. Ethische Leitlinien für eine datenbasierte Organisationskommunikation.In Liesem, Kerstin; Rademacher, Lars (Hrsg.), Die Macht der Strategischen Kommunikation. Medienethische Perspektiven der Digitalisierung1. Aufl., S. 109-126. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft.
Wiencierz, Christian; Röttger, Ulrike. (2017). The Use of Big Data in Corporate Communication.Corporate Communications: An International Journal, 22(3), 258. doi: 10.1108/CCIJ-02-2016-0015.
Wiencierz, C., Berger, K., Röttger, U. & Wietholt, C. (2017): Startklar für Big Data. Chancen, Voraussetzungen und Anwendungen für die Unternehmenskommunikation. (Communication Insights, Issue 4) Leipzig, Deutschland: Akademische Gesellschaft für Unternehmensführung & Kommunikation.