Ein Gastbeitrag von Ansgar Zerfaß
Die Internationalisierung von Public Relations und Organisationskommunikation schreitet unaufhaltsam voran. Dies schafft vielfältige Chancen und Herausforderungen. Diese werden in der Forschung bislang vorwiegend auf der Makroebene – z.B. Auswirkungen strategischer Kommunikation auf Gesellschaften durch globale Kampagnen oder Public Diplomacy – und auf der Mesoebene von Organisationen und ihren Stakeholdern diskutiert. Über die Mikroebene und die Auswirkungen auf einzelne Kommunikationsmanagerinnen und -manager im Berufsfeld ist weniger bekannt. Auf diese individuelle Perspektive und die konkrete Arbeitswelt hat Romy Fröhlich immer wieder hingewiesen, beispielsweise im Kontext der Erwartungen von PR-Studierenden an ihre Arbeitsbedingungen (Fröhlich, 2013) oder der Feminisierung der PR (Fröhlich, 2015).
Angesichts der Mediatisierung von Organisationen und der ungebremst wachsenden Nachfrage nach professioneller Kommunikation kann man argumentieren, dass die Arbeit im Berufsfeld spannender und vielfältiger wird. Jenseits traditioneller Medienarbeit geht es heute darum, alle Kanäle zu bespielen (earned, owned, shared, paid media), viele Sprachen und Mediensysteme zu beherrschen sowie mit oft widersprüchlichen kulturellen Werten und Erwartungen umzugehen. Insofern eröffnet die Überschreitung nationaler, kultureller und technologischer Grenzen den PR-Praktikern viele neue Möglichkeiten. Aber es gibt auch eine Kehrseite. Die Arbeit rund um die Uhr an globalen Projekten, in virtuellen Teams oder in sich ständig ändernden Umgebungen erfordert neue Fähigkeiten, die nicht immer vorhanden sind. Zudem ist zeitliche Flexibilität gefordert, die oft den inzwischen etablierten Arbeitsmodellen z.B. für Mütter und Väter mit Familienverantwortung widerspricht. Das kann zu erhöhtem Stress sowie sinkendem Engagement und Loyalität führen und insgesamt die Arbeitszufriedenheit beeinträchtigen. Beachtenswert ist dies deshalb, weil Studien für die USA bereits zeigen, dass die Arbeitszufriedenheit im PR-Berufsfeld eher mittelmäßig ist (Berger, Meng, & Heyman, 2017) und auch in Asien einige Dimensionen – insbesondere die Work-Life-Balance – kritisch gesehen werden (Lwin & Zerfass, 2016).
Erkenntnisse aus einer globalen Studienserie
Wie steht es um die Zufriedenheit von Kommunikationsverantwortlichen in Europa und speziell in Deutschland? Und wie ist der Status Quo im Zeitvergleich und mit Blick auf das Berufsfeld in anderen Teilen der Welt einzuordnen? Erste Einblicke vermitteln die Ergebnisse des Global Communication Monitor, einer Studienserie, die 2007 an der Universität Leipzig initiiert wurde und inzwischen in einem Verbund führender PR-Forscher von fünf Kontinenten regelmäßig in über 80 Ländern durchgeführt wird. Mit der gleichen Methodik und weitgehend identischen Erhebungsinstrumenten wird der European Communication Monitor jährlich durchgeführt; der Asia-Pacific, North American und Latin American Communication Monitor alle zwei Jahre. Befragt werden Kommunikationsverantwortliche aus Unternehmen, Non-Profit-Organisationen, staatlichen/politischen Organisationen und Agenturen. Im Folgenden werden einige Ergebnisse der 2018 durchgeführten Studie in Europa vorgestellt. Details zum Sample und vertiefende Daten finden sich im vollständigen Ergebnisbericht, der im Internet verfügbar ist (Zerfass et al., 2018).
Stress am Arbeitsplatz
Von Kommunikationsprofis wird oft erwartet, dass sie täglich Höchstleistungen erbringen. Multi-Tasking ist Teil des Jobs, weil interne und externe Auftraggeber jederzeit mit neuen Anforderungen aufwarten können und externe Vermittler (Journalisten, Influencer, Kooperationspartner) ebenso wie Bezugsgruppen auf Impulse oder Antworten warten.
Es verwundert daher nicht, dass vier von zehn Kommunikationspraktikern (39,0 %) in Europa angeben, sich im Arbeitsalltag angespannt oder gestresst zu fühlen. Gleichzeitig antwortete ein Viertel (25,0 %), dass sie nicht über geeignete Ressourcen verfügten, um den täglichen Stress zu bewältigen. Teammitglieder fühlen sich weniger gestresst als Führungskräfte; allerdings sind letztere besser gerüstet, um mit Stress umzugehen. Eine Clusteranalyse zeigt, dass es zwei Gruppen von Praktikern gibt: Jeder vierte (27,9 %) hat ernsthafte Stressprobleme, weil man Stress empfindet und keinen Ansatzpunkte zum Umgang damit hat, während die Mehrheit (72,1 %) entweder nicht betroffen ist oder diese Probleme adressieren kann. Deutschland liegt im europäischen Vergleich im Mittelfeld (24,6 % mit ernsthaften Stressproblemen). Die Situation ist besser als in der Schweiz (28,5 %) und Österreich (35,2 %). Recht entspannt gestaltet sich das Arbeitsleben von Kommunikationsmanagern in den Niederlanden: Dort fallen nur 16,9 Prozent in diese Gruppe. Mit Blick auf geschlechtsspezifische Unterschiede sind europaweit Kommunikatorinnen (40,8 % empfinden Stress; 30,0 % sind ernsthaft belastet) signifikant stärker betroffen als ihre männlichen Kollegen (36,5 % bzw. 24,9 %). Ein weiterer Faktor ist die Alterskohorte: Wer zwischen 30 und 39 Jahre alt ist, ist stärker belastet als jüngere oder ältere Kollegen.
Worauf sind dies Befunde zurückzuführen? Was sind die Treiber von Stress im PR-Berufsfeld? Besonders häufig genannt werden die Notwendigkeit, außerhalb der Arbeitszeit ständig verfügbar zu sein, um auf E-Mails und Telefonate zu reagieren (35,6 %), eine allgemein zu hohe Arbeitsbelastung (35,5 %) und fehlende Möglichkeiten für die persönliche Weiterentwicklung und Beförderungen (34,0 %). Die Furcht vor körperlichen Erkrankungen sowie Störfaktoren aus dem privaten Umfeld im Berufsalltag werden nur von jedem zehnten Befragten als bedeutsam eingestuft. 30,4 Prozent sagen jedoch, dass ihre Arbeit mit persönlichen oder familiären Zeitfenstern kollidiert und dass dies Stress verursacht. Konzepte zur Entkopplung von beruflichen und privaten Tätigkeiten könnten dazu beitragen, solche Probleme zu lösen und den Stress im Berufsfeld zu verringern.
Arbeitszufriedenheit und Einflussfaktoren
Ein wichtiger Erfolgsfaktor für Unternehmen im Allgemeinen sowie Kommunikationsabteilungen und -agenturen im Besonderen ist die Mitarbeiterzufriedenheit. Es gibt bisher überraschend wenig Wissen über die Zufriedenheit von Kommunikationsprofis, obwohl Kommunikation eindeutig ein „People Business“ ist und Führungskräfte die Erwartungen und das Wohlbefinden ihrer Teammitglieder kennen sollten.
Die Befragungen im Rahmen des Global Communication Monitor haben dieses Thema mehrfach untersucht; zuletzt 2017/2018 auf allen Kontinenten. In Europa ist die allgemeine Arbeitszufriedenheit von PR-Praktikern relativ gut. Drei Viertel der Befragten gaben im Frühjahr 2018 an, dass sie bei der Arbeit glücklich sind. In den letzten acht Jahren ist die Zufriedenheit jedoch langsam zurückgegangen, von durchschnittlich 5,33 auf einer Sieben-Punkte-Skala im Jahr 2010 über 5,27 im Jahr 2014 auf 5,15 in 2018. Im globalen Vergleich liegt Europa bei der Arbeitszufriedenheit vor Asien-Pazifik (M=5,15), aber hinter Lateinamerika (M=5,21) und Nordamerika (USA und Kanada; M=5,34). In den deutschsprachigen Ländern verzeichnet Deutschland 81,2 Prozent zufriedener PR-Praktikern. In der Schweiz (76,6 %) und Österreich (69,0 %) sind es weniger. Die Gründe für diese Unterschiede gilt es in weiteren Forschungsprojekten zu untersuchen. Die statistische Auswertung der vorliegenden Datensätze zeigt, dass u.a. der Organisationstyp eine Rolle spielt: Kommunikatoren in Agenturen und privaten Unternehmen sind zufriedener als jene in börsennotierten Unternehmen und öffentlichen Organisationen.
Eine Analyse einzelner Dimensionen der Arbeitszufriedenheit belegt, dass die interessanten und vielfältigen Aufgaben von Kommunikatoren (von 70,9 Prozent der Befragten bestätigt), die Wertschätzung durch Vorgesetzte und Kunden, die Sicherheit und Stabilität des Jobs und sein hoher Status am häufigsten gesehen werden. Dagegen sagen weniger als die Hälfte der befragten PR-Verantwortlichen in Europa, dass ihr Gehalt angemessen ist (48,0 %), dass sie eine gute Work-Life-Balance (47,3 %) und große Karrierechancen haben (38,1%).
Im Vergleich zu vor vier und acht Jahren ist die Zufriedenheit mit den sozioökonomischen Dimensionen der Arbeit im PR-Berufsfeld gestiegen: Sicherheit und Stabilität, angemessenes Gehalt und Work-Life-Balance. Frauen schätzen alle Dimensionen der Arbeitszufriedenheit im Allgemeinen niedriger als Männer. Gleiches gilt für Praktiker, die in den Bereichen Online, Medienarbeit und Marketingkommunikation arbeiten: Sie sind insgesamt unzufriedener als Verantwortliche für Strategie und Beratung. Wenig erstaunlich ist, dass Praktiker weiter oben in der Hierarchie eine höhere Arbeitszufriedenheit haben als diejenigen, die auf niedrigeren Ebenen arbeiten.
Ungeachtet der steigenden Werte für sozialökonomische Dimensionen der Arbeitszufriedenheit zeigt eine Regressionsrechnung, dass die wichtigsten Prädikatoren für die Arbeitszufriedenheit interessante und vielfältige Aufgaben, gute Karrieremöglichkeiten und die Wertschätzung von Vorgesetzten und (internen) Kunden sind. Das ist interessant, weil sich die Debatte im PR-Berufsfeld häufig auf (Einstiegs-) Gehälter und die Work-Life-Balance konzentriert. In der bundesdeutschen Branchenöffentlichkeit gab es dazu beispielsweise im Herbst 2018 eine intensive Debatte zwischen dem Agenturverband GPRA, mehreren studentischen PR-Initiativen sowie einigen auf der Fachhochschulebene engagierten Hochschullehrern. Die empirischen Daten zeigen, dass jenseits einer Vergütung, die einen auskömmlichen Lebensstandard ermöglicht, vor allem das Selbstverständnis und das konkrete Leistungsspektrum der Kommunikationsarbeit bedeutsam sind. Das erklärt, warum klassische PR-Agenturen bei hochqualifizierten Nachwuchskräften zunehmend „out“ sind und Unternehmensberatungen für Kommunikation oder Kommunikationsabteilungen, die ein erweitertes strategisches Rollenverständnis an den Tag legen, favorisiert werden – selbst wenn sie nicht als Musterbeispiele für Work-Life-Balance und Familienfreundlichkeit gelten.
Wechselbereitschaft und Perspektiven
Auf die Frage nach ihren Plänen für die weitere berufliche Entwicklung angesprochen, will fast jeder dritte PR-Praktiker in Europa innerhalb des nächsten Jahres seinen jetzigen Arbeitgeber verlassen. Jeder zwanzigste will sogar ganz aus der Kommunikation aussteigen. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Arbeitszufriedenheit und der Bereitschaft zum Wechsel. Jene, die aus der Kommunikation aussteigen und dabei auch den Arbeitgeber wechseln wollen, sind mit ihrer Situation am wenigsten zufrieden. Ihre Jobzufriedenheit beträgt 3,7 auf einer Sieben-Punkte-Skala, während diejenigen, die in ihrer aktuellen Position bleiben wollen, durchschnittlich 5,8 Punkte erreichen.
Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass das Wachstum des Berufsfelds Organisationskommunikation/PR potenziell mit Schattenseiten für die dort tätigen Menschen verbunden ist, die es weiter zu beobachten gilt. Die Internationalisierung wird einige Treiber von Stress und Unzufriedenheit im Job verstärken. Geschlechtsspezifische Unterschiede bleiben in beiden Bereichen an der Tagesordnung. Ebenso unterschiedet sich die Situation in einzelnen Ländern – sogar im deutschsprachigen Raum – und erst recht auf globaler Ebene. Globalisierung und Professionalisierung der strategischen Kommunikation bieten aber auch Chancen für neue Entwicklungsmöglichkeiten und Rollenmodelle, die mit größerem Einfluss und mehr Wertschätzung verbunden sind (vgl. z.B. Zerfass & Volk, 2018). Die kommunikationswissenschaftliche Forschung bleibt aufgefordert, diese Entwicklungen zu begleiten und in den internationalen Fachdiskurs einzubringen.
Über den Autor
Prof. Dr. Ansgar Zerfaß ist Inhaber des Lehrstuhls für Strategische Kommunikation am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig sowie Professor in Communication and Leadership an der BI Norwegian Business School, Oslo. Er ist Herausgeber des „International Journal of Strategic Communication“ (Routledge, USA), war Präsident der European Public Relations Education and Research Association, Brüssel, und ist gewählter Vice Chair der Public Relations Divison der International Communication Association (ICA). Zu seinen Forschungsgebieten Unternehmenskommunikation, Wertschöpfung durch Kommunikation sowie Internationale Kommunikation hat er bislang 35 Bücher und über 320 Beiträge sowie Studienberichte in mehreren Sprachen veröffentlicht. Kontakt: www.zerfass@uni-leipzig.de
Literatur
Berger, B. K., Meng, J., & Heyman, W. (2017). Gender differences deepen, leader-employee gap remains and grades slide: Plank Center report card 2017 on PR leaders. Tuscaloosa, AL: The Plank Center for Leadership in Public Relations. Retrieved from http://bit.ly/ecm2018ref2.
Fröhlich, R. (2013). Young future PR-professionals: Perceptions of the future occupational field and assessment of current PR education. A survey of tertiary level students in Austria, Germany and Switzerland. Studies in Communication Sciences. Studies in Communication Sciences, 13(1), 24-32.
Fröhlich, R. (2015). Die Feminisierung der PR – Grundlagen und empirische Befunde. In R. Fröhlich, P. Szyszka & G. Bentele (Hrsg.), Handbuch der Public Relations (3rd ed., pp. 669-687). Wiesbaden: Springer VS.
Lwin, M. O., & Zerfass, A. (2016). Satisfied guaranteed? How communication professionals in Asia Pacific assess their work situation. Communication Director – Asia-Pacific Edition, 11(2), 14-17.
Zerfass, A., Tench, R., Verhoeven, P., Verčič, D., & Moreno, A. (2018). European Communication Monitor 2018. Strategic communication and the challenges of fake news, trust, leadership, work stress and job satisfaction. Results of a survey in 48 Countries. Brussels: EACD/EUPRERA, Quadriga Media Berlin. Retrieved from www.communicationmonitor.eu.
Zerfass, A., & Volk, S. C. (2018). How communication departments contribute to corporate success: The communications contributions framework. Journal of Communication Management, 22(4), 397-415