Ein Gastbeitrag von Peter Szyszka
Akzeptanz ist ein Schlüsselbegriff der Public Relations, der lange Zeit als so selbstverständlich angesehen wurde, dass er aus der Fachdiskussion ausgeblendet blieb oder durch andere Begriffe und Denkansätze kompensiert wurde. Der Beitrag setzt hier an und folgt der Hypothese, dass Akzeptanz immer ein Schlüsselbegriff der Public Relations war, weil die Differenz Akzeptanz|Nicht-Akzeptanz innerhalb öffentlicher wie nicht-öffentlicher Beziehungen als sozialer Mechanismus jenen Punkt markiert, an dem über Zustimmungs-/Ablehnungswahrscheinlichkeit entschieden wird. Ob es für den Umgang hiermit einer besonderen Akzeptanzkommunikation bedarf, wie der Name eines neuen DPRG-Arbeitskreises suggeriert, ist dann nur eine Anschlussfrage.
Das Thema Akzeptanz durchzieht die Auseinandersetzung mit Public Relations seit ihren Anfängen. So ist schon in Bernays frühem Band Propaganda mehrfach von acceptance die Rede: „the interest, the approval, and the acceptance of the public“ (1928, S. 27). Die deutsche Übersetzung benutzt das Synonym „Zustimmung“ (2005, S. 42); Hundhausen spricht von „Zustimmung“, „Einstimmigkeit“ und „Übereinstimmung“ (1951, S. 52). In Harlows bekannter PR-Metadefinition liegt mit der Trias acceptance, understandig und cooperation einer erste richtungsweisendste Einordnung vor (1976, S. 36). Zerfaß hat das Ringen von Unternehmen um gesellschaftliche Akzeptanz in seiner Grundlegung zu einer wesentlichen Aufgabe der Unternehmenskommunikation erklärt (1996, S. 14f) und Krebber diese als ein soziales Klima definiert, „das entsteht, wenn Eigenschaften von Akteuren und ihrem Handeln in Übereinstimmung mit gesellschaftlichen Normen und Werten stehen und damit in der Gesellschaft als legitim gelten“ (2016,. 28).
Darauf, dass bei Public Relations Gesellschafts- und Organisationsperspektive nicht losgelöst voneinander zu betrachten sind, hat Ronneberger schon in seinem frühen PR-Essay mit dem Einschub „dies geschieht im durchaus partikularen Interesse“ verwiesen (1977, S. 22) – auch der Theorieentwurf von Ronneberger/Rühl (1992) lässt sich in seinen Makro-Meso-Mikro-Bezügen heute so lesen. Werden soziale Akzeptanz und Legitimation und mit ihnen der organisationale Kontext ins Zentrum von Public Relations gerückt, wird gesellschaftliche Akzeptanz zu einer Meta-Ebene, zum Ausdruck eines Meinungsklimas rund um ein Thema oder einen Gegenstand. Soziale Akzeptanz bezieht sich demgegenüber auf eine Organisation, deren Haltung, Habitus und konkretes Verhalten im Kontext akzeptanzkritischer Themen und Sachverhalte bei deren Bezugsgruppen und in der Öffentlichkeit.
Akzeptanz gilt mit Lucke als ein zentraler Faktor sozialer Orientierung, eine Grundvoraussetzung sozialen Handelns und „ist das Ergebnis eines vielschichtigen und äußerst voraussetzungsreichen Prozesses, in dessen Verlauf Akzeptanzsubjekt, -objekt und -kontext zusammenwirken“ (2003, S. 5). Deutlich wird daran, dass individuelle, organisationale und institutionelle Akzeptanz nicht von gesellschaftlicher Akzeptanz zu trennen sind, wie Krebber vorschlägt (2016, S. 28), sondern hierfür im Gegenteil eine Voraussetzung bilden. Akzeptanz gilt als subjektiv-soziale Kehrseite und notwendige Ergänzung von Legitimation, die gemeinsam „die Grundlage gesellschaftlicher Legitimität“ bildeten (Lucke, 2003, S. 5; Hervorh. PS). Akzeptanz lässt sich also nicht losgelöst von Legitimität und Legitimation betrachten: Stichwörter, die im PR-Kontext in der Vergangenheit deutlich dominanter aufgegriffen wurden als Akzeptanz.
Luhmann hat schon vor einem halben Jahrhundert in Legitimation durch Verfahren (1969) darauf hingewiesen, dass Entscheidung und Legitimation in einem engen Zusammenhang stehen, weshalb die Legitimation von Entscheidungen eine latente Funktion von Verfahren sei, die Entscheidungen vermitteln und bei Betroffenen Anerkennung, also Akzeptanz, erfahren wollen. Organisationen als soziale Systeme lassen es zu, „menschliches Verhalten so zu behandeln, als ob es ein Entscheiden wäre“ (Luhmann 1993, S. 354). Dabei komme es nicht auf individuelle Meinungen und Zustimmung an, sondern darauf, dass Entscheidungen in ihrer Kommunikation als mit dem Wertesystem kompatibel legitimiert, also legitim, angesehen werden, um Akzeptanz erfahren zu können. Dieser Prozess lässt sich aber nicht ohne Menschen als Psychen denken, die beobachten, beurteilen und Meinung bilden, wiewohl es dann im zweiten Schritt nicht mehr um den Einzelnen geht, sondern um dessen Referenz im System. Legitimation als Geltungsanspruch und die Zuweisung von Legitimität als Geltung vollziehen sich aber auf kommunikativer und psychischer Ebene. Dabei ist, mit Habermas, Legitimität ein „ein streitbarer Geltungsanspruch“ (1973, S. 271), der nicht von allen geteilt werden muss.
Dies führt zum Begriff Meinungsklima, der das Auseinanderklaffen von Meinungen zu einem (streitbaren) Meinungsgegenstand bezeichnet (Noelle-Neumann, 1977). Meinungsklimafelder gruppieren sich um Meinungsgegenstände und umfassen unterschiedliche Meinungen und unterschiedliche Akzeptanzdispositionen, die sich im Rahmen eines gemeinsamen Wertesystems bewegen, den Rahmen aber auch übergreifen können. Markante Fallbeispiele wie das schon legendäre Stuttgart 21 machen dazu deutlich, dass es bei Legitimation und Akzeptanz häufig um unterschiedliche Publikums- und Anspruchsgruppen mit unterschiedlicher Betroffenheit, Themenrelevanz, Bedeutungszuschreibung und Engagementbereitschaft geht und sich vom Fall von Stuttgart 21 nicht pauschal auf eine mangelnde Akzeptanz von Infrastruktur-Großprojekten in einer Medien- und von Protestgesellschaft schließen lässt – in Wien etwa ging fast zeitgleich der Bau eines ähnlichen Bahnprojektes (neuer Wiener Hauptbahnhof) nahezu geräuschlos über die Bühne.
In der PR-Forschung hat sich Sandhu intensiv aus neo-institutionalistischer Perspektive mit Legitimierung, Legitimationsstrategien und Legitimation auseinandergesetzt und Legitimität als das Ergebnis einer mehrdimensionalen Zuschreibung im Rahmen eines Klassifikationsprozesses eingestuft (2012, S. 227ff). Hoffjann betont, dass es die Legitimationsfunktion sei, die Public-Relations-Management von anderen Organisationsfunktionen unterscheide, und rückt in einen unmittelbaren Zusammenhang mit gesellschaftlicher Verantwortung (2015, S. 19ff u. 204ff). Krebber hat auch Corporate Governance (als Ordnungsrahmen der Unternehmensführung) und stakeholderbezogenes Vorgehen einbezogen und kommt zu dem Schluss, dass Unternehmenskommunikation dem Umgang eines Unternehmens mit Legitimation und Akzeptanz diene und entsprechend Legitimations- und Akzeptanzförderer sei (2016, S. 79ff u. 102).
Abb. 1: Akzeptanzdreieck nach Lucke (1995, S. 89)
Kehren wir zu unserer Ausgangshypothese zurück, dann sollte bereits deutlich geworden sein, dass soziale Akzeptanz|Nicht-Akzeptanz ein, wenn nicht das zentrale Beziehungsmerkmal sozialer Systeme ist, denn es gibt Auskunft über die Grundausrichtung künftiger Beziehungsqualität, verstanden als die Beschaffenheit einer Beziehung. Akzeptanz ist ein sozialer Mechanismus im Umgang mit Komplexität, der subjektiv sich stereotypisierende, handlungs- und verhaltensbestimmende Werturteile fällt. Das schon zitierte Akzeptanzdreieck (Lucke, 1995, S. 89; Abb. 1) macht deutlich, dass Akzeptanz als Zuweisung immer ein zusammenfassendes Werturteil einer Gegenseite (Subjekt) in Bezug auf Haltung oder Verhalten der anderen Seite oder einen beide Seiten betreffenden Sachverhalt (Objekt) ist, das pauschal im Zusammenhang mit einer Entscheidung oder einem Ereignis getroffen wird (Kontext) und der Fortsetzung einer Beziehung die Richtung weist. Derartige Akzeptanzdispositionen schreiben Sinn vor dem Hintergrund eigener Interessen, Betroffenheit und Ziele zu, müssen sich also zwangsläufig in ihrer subjektiven Herleitung unterscheiden, wiewohl sie dabei kollektiv zu gleicher Einschätzung und gleichem Ergebnis kommen können.
Haltung, Entscheidung und Verhalten zu legitimieren, ist genuiner Bestandteil von Kommunikation, auch wenn dies nicht bewusst kommuniziert, sondern nur vom Beobachter interpretiert wird. Die ‚Quittung‘ dieser Prozesse ist Akzeptanz oder ihr logisches Gegenstück Nicht-Akzeptanz. Mit Akzeptanz wird aber nicht mehr als eine Schwelle erreicht, jenseits derer erst darauf aufbauende kognitive Werteschemata (Image, Reputation, Sympathie, Attraktivität) über Wertschätzung und Unterstützungsbereitschaft entscheiden, weshalb sich z. B. bei der Bewertung von Entscheidungen und Verhalten auch von kritischen Akzeptanzfaktoren sprechen lässt (Szyszka, 2017, S. 87ff). Erst hierauf satteln kontingente, häufig ressourcenabhängige Präferenzentscheidungen auf, die dann zu einem bestimmten Verhalten führen und über diesen Weg am Ende auch Einfluss auf übergeordnete gesellschaftliche Meinungsklimata nehmen. Öffentliche Akzeptanz, Wertschätzung und Präferenzbehandlung ist umgekehrt gleichermaßen Resonanzboden und Orientierungsgröße für soziale Akzeptanz, Wertschätzung usw., die am Ende die Handlungsspielräume der Beteiligten bemisst. ‚Ausgehebelt‘ werden kann dieses Stufenmodell durch den Einfluss sozialer Macht (Abb. 2). Public-Relations-Management ist in diesem Kontext immer auch Akzeptanzmanagement, nämlich die Auseinandersetzung mit organisationseigenen und -fremden Akzeptanzdispositionen und den damit verbundenen Differenzen, weshalb anstelle von Akzeptanz- von Differenzmanagement gesprochen werden kann (Merten, 2008, S. 55, Hoffjann, 2009; Szyszka, 2009, S. 149).
Abb. 2: Soziale Macht als „Bypass“ bei Entscheidung und Verhalten
Da Entscheidung und Verhalten immer auch Veränderung bedeuten, ist es richtig und wichtig, dass sich Organisationen mit gesellschaftlicher Veränderung beschäftigen. Ob es sich dabei immer dramatisiert um Umbrüche handelt oder schlicht um permanenten Wandel und den Umgang mit Unsicherheit, kann hier im Raum stehen bleiben. Sicher ist, dass es sich dabei immer um Sachverhalte und Themen handelt, die in heterogene, bisweilen kontroverse Meinungsklimafelder und im Dickicht vielfältiger Interessen eingebunden sind. Sicher ist auch, dass Legitimität nur ein Geltungsanspruch ohne universelle Geltung ist und so Akzeptanz|Nicht-Akzeptanz ein steter Begleiter organisationaler Realität ist, der sich auf der Ebene von Stakeholder-Beziehungen konkret bearbeiten lässt. Wenn also, wie hier, die Erkenntnis von Hoffjann geteilt wird, dasss die Erklärung, Sinn- und Legitimitätsvermittlung von Organisationsverhalten vornehmliche Funktion von Public-Relations-Management ist, dann ist Akzeptanzmanagement nicht erst heute genuine Funktion von Public-Relations-Management und die von hier ausgehende Kommunikation immer schon per se Akzeptanzkommunikation, ohne dass es hierfür eines besonderen Begriffs bedürft hätte.
Über den Autor
Peter Szyszka *1957, Prof. Dr., ist Kommunikationswissenschaftler und Professor für Organisationskommunikation und Kommunikationsmanagement an der Hochschule Hannover. Forschungsschwerpunkte: theoretische Grundlagen der Public Relations, soziale Wertschöpfung durch Beziehungskapital, Wissenschaft/Praxis-Transfer. Er ist Leiter der Forschungsgruppe Beziehungskapital. Kontakt: peter.szyszka@hs-hannover.de (www.szyszka-online.de).
Literatur
Bernays, E. L. (1928/2005). Propaganda. Die Kunst der Public Relations. Göttingen: orange press.
Habermas, J. (1973). Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Hoffjann, O. (2009). Public Relations als Differenzmanagement von externer Kontextsteuerung und unternehmerischer Selbststeuerung. In: Medien & Kommunikationswissenschaft, 57(3), (S.299-325).
Hoffjann, O. (2015). Public Relations. Konstanz: UVK.
Hundhausen, C. (1951). Werbung um Vertrauen. Public Relations. Essen. Giradet.
Krebber, F. (2016). Akzeptanz durch inputorientierte Organisationskommunikation. Infrastrukturprojekte und der Wandel der Unternehmenskommunikation. Wiesbaden: Springer-VS.
Luhmann, N. (1993). Organisation und Entscheidung. In: ders. (Hrsg.). Soziologische Aufklärung 3: soziales System, Gesellschaft, Organisation (3. Aufl., S. 335-389). Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
Lucke, D. (1995). Akzeptanz. Legitimität in der Abstimmungsgesellschaft. Opladen: Leske + Budrich.
Lucke, D. (2003). Akzeptanz. In: Schäfers, B. (Hrsg.). Grundbegriffe der Soziologie (8., überarb. Aufl., S. 5-9). Leske + Budrich
Merten, K. (2008). Zur Definition von Public Relations. Medien und Kommunikationswissenschaft, 56(1) (S. 42-59).
Noelle-Neumann, E. (1977). Das doppelte Meinungsklima. Der Einfluss des Fernsehens im Wahlkampf 1976. In: Politische Vierteljahresschrift 18 (3), S. 408-451.
Ronneberger, F. (1977). Legitimation durch Information. Düsseldorf: Econ.
Ronneberger, F./ Rühl, M. (1992). Theorie der Public Relations. Ein Entwurf. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Sandhu, S. (2012). Public Relations und Legitimität. Der Beitrag des organisationalen Neo-Institutionalismus für die PR-Forschung. Wiesbaden: Springer VS.
Szyszka, P. (2009). Organisation und Kommunikation. Integrativer Ansatz einer Theorie zu Public Relations und Public Relations-Management. In Röttger, U. (Hrsg.). Theorien der Public Relations. Grundlagen und Perspektiven der PR-Forschung (2., akt. u. erw. Aufl.; S. 135-150). Wiesbaden: VS.
Szyszka, P. (2017). Beziehungskapital. Akzeptanz und Wertschöpfung. Stuttgart: Kohlhammer.