Bachelorarbeit von Annika Karoline Schleithoff
(Winter Semester 2022/23)
Medien haben einen großen Einfluss auf Politik und Gesellschaft und spielen besonders in Krisen- und Kriegszeiten eine wichtige Rolle. Das ist zurzeit besonders präsent, da seit Februar 2022 der russische Angriffskrieg auf die Ukraine die Berichterstattung dominiert.
Die Forschung zur Auslandsberichterstattung zeigt, dass diese von verschiedenen Kontext- und Ländermerkmalen beeinflusst wird und dabei besonders die Nähe und Ähnlichkeit zwischen Staaten bedeutend ist. Vor allem die bilaterale Nähe leistet einen hohen Erklärungsbeitrag. Im Zusammenhang mit dem Framing der Kriegsberichterstattung wurde dies jedoch bisher nicht untersucht. Ziel dieser wissenschaftlichen Arbeit ist es daher, mögliche Unterschiede im internationalen Framing der Kriegsberichterstattung zu untersuchen, die sich abhängig von den jeweiligen Ähnlichkeits- und besonders den Nähedimensionen der Staaten ergeben. Basierend auf der bisherigen Forschung wurden vier Dimensionen definiert: die politische, wirtschaftliche, geographische und kulturelle Nähe und Ähnlichkeit.
Bisherige Studien zeigen zudem, dass asymmetrische Kriege wie der Ukraine-Krieg häufig vom schwächeren Konfliktpartner gewonnen werden. Im Falle des Ukraine-Krieges kann die Ukraine als der ressourcenärmere und daher schwächere Konfliktpartner identifiziert werden. Grund dafür ist in vielen Fällen die internationale Unterstützung für die zunächst ressourcenärmere Partei.
In dieser Studie wurde daher auch untersucht, ob und wie die Dimensionen der Nähe und Ähnlichkeit auf die Berichterstattung zu Unterstützungsleistungen für die Ukraine wirken.
Den Untersuchungsgegenstand bilden deutsche, indische und US-amerikanische Tageszeitungen. Um die Forschungsfragen zu beantworten, wurde eine quantitative Inhaltsanalyse durchgeführt, die das Framing der Berichterstattung anhand einer deduktiven Frameanalyse untersucht.
Die quantitative Studie zeigt, dass zwischen den untersuchten Staaten und Medien signifikante Unterschiede in der Verwendung von Frames bestehen, und das gilt auch für den Einfluss der Nähe zwischen Staaten auf das Framing. Am häufigsten ist der Military Conflict Frame zu finden, unabhängig von Medium und Land, gefolgt vom Human Interest Frame und Prognostic Frame. Auffällig ist, dass der Human Interest Frame sehr viel häufiger in den indischen Medien zu finden ist als in den deutschen und US-amerikanischen. Auch zwischen den Medien bestehen signifikante Unterschiede in der Verwendung von Frames, sodass von einem Einfluss der redaktionellen Linie des Mediums ausgegangen werden kann.
Ein signifikanter Zusammenhang der Nähedimensionen konnte nur teilweise festgestellt werden und gilt nur für bestimmte Nähe-Frame-Kombinationen. Der Human Interest Frame tritt beispielsweise besonders häufig in Verbindung mit der Nennung einer kulturellen Nähe auf. In vielen Fällen konnte kein Zusammenhang gefunden werden, was auch an der seltenen Kodierung der Nähedimensionen liegt.
Es zeigt sich, dass die Thematisierungen der Nähedimensionen die reale Nähe der untersuchten Länder zur Ukraine und Russland widerspiegeln. Dabei lässt sich ein Zusammenhang mit einer Unterstützung der Ukraine erkennen. Etwa die Hälfte der Beiträge, die eine politische Nähe zur Ukraine thematisierten, nannten eine politische oder moralische Unterstützung für das Land. Die Nennung einer wirtschaftlichen Nähe zur Ukraine hängt mit der Nennung einer Unterstützung der Ukraine in finanzieller, militärischer oder humanitärer Weise zusammen. Gleiches gilt für eine wirtschaftliche Nähe. Es ist daher anzunehmen, dass dieser Einfluss auch für Unterstützungsleistungen für Staaten besteht, denen ein Land nahesteht und mit dem es auf verschiedenen Ebenen kooperiert.
Die Forschungsergebnisse müssen unter Berücksichtigung der Limitationen dieser Studie interpretiert werden, dazu zählt unter anderem die Auswahl unähnlicher Staaten, weshalb keine Rückschlüsse auf den Einfluss der Ähnlichkeit auf das Framing getroffen werden können. Auch die Wahl einer deduktiven Methode schränkt die Ergebnisse ein. Die gefundenen Zusammenhänge deuten aber darauf hin, dass die Nähedimensionen durchaus Einfluss auf das Framing der Kriegsberichterstattung haben – ein Ausgangspunkt für künftige Forschung.