Von ‚Quotenfrauen‘ und ‚Profilierungssucht‘. Eine Inhaltsanalyse zur Berichterstattung über die Frauenquote

 Masterarbeit von Sonja Salzburger (Sommersemester 2014 bei Professor Dr. Romy Fröhlich, Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung, LMU München)

 

Kurzzusammenfassung

Forschungsinteresse: Die Masterarbeit untersucht die Berichterstattung der drei überregionalen Leitmedien Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), Süddeutschen Zeitung (SZ) und Die Welt zur Einführung einer Frauenquote in Deutschland für Führungspositionen. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob und wenn ja wie politischer Handlungsbedarf in den Artikeln zu dem Thema negiert wird. Von besonderem Interesse war neben der spezifischen Argumentationsstruktur auch die Frage, welche Faktoren die Berichterstattung beeinflussen. Dabei ging es vor allem um die möglichen Einflussfaktoren ‚Geschlecht des/der Autors/Autorin‘, ‚Blattlinie‘ und ‚Ressort‘. Untersucht wurde, wie sich die Quotendiskussion in den Medien zwischen 2011 und 2014 entwickelt hat.

 

Methode: Im Rahmen der Inhaltsanalyse wurde vorab im qualitativen Verfahren ein Katalog solcher Aussagen erarbeitet, die gegen eine Frauenquote ins Feld geführt werden (können) (insgesamt 28 Argumente). Sie lassen sich in drei Gruppen aufteilen: (1) Argumente, die das Problem an sich bestreiten, (2) Argumente, die die Notwendigkeit einer Quote bestreiten sowie (3) Argumente, die den Frauen den Handlungsbedarf zuweisen. Die anschließende quantitative Inhaltsanalyse von 264 Artikeln zeigte, wie prominent die einzelnen Aussagen im Untersuchungssample vertreten waren.

 

Untersuchungszeitraum: Als Erhebungszeitraum wurde ein Zeitrahmen von drei Jahren bestimmt, vom 30. März 2011 bis zu 30. März 2014. Da es ressourcenbedingt nicht möglich war, eine Vollerhebung durchzuführen, wurden sechs Vergleichsphasen von jeweils vier Wochen festgelegt, die ein vorab festgelegtes Schlüsselereignis beinhalteten.

 

Befunde: Unter den untersuchten Argumenten gab es fünf Favoriten, die besonders häufig gegen die Einführung einer Quote vorgebracht wurden. Am häufigsten wurde argumentiert, dass es bei der Quotendiskussion weniger um das Problem an sich ginge, als vielmehr darum, dass Politiker hier ein Handlungsfeld gefunden haben, in dem sie sich profilieren können. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass die bloße Thematisierung des Profilierungsaspektes nicht zwangsläufig als Argument gegen die Quote gewertet werden kann. Stattdessen ist es auch möglich, dass dieser Vorwurf von Journalisten, die für eine Frauenquote sind, antizipiert und entkräftet wird. Dies war in der vorliegenden Inhaltsanalyse allerdings nur bei drei Artikeln der Fall. Anders verhielt es sich bei der insgesamt am häufigsten aufgetretenen Aussage, die Wirtschaft würde das Problem ohne staatliches Eingreifen lösen. Interessanterweise wurde dieses Argument in der Berichterstattung fast genauso häufig entkräftet wie es dafür genutzt wurde, um gegen die Einführung einer Quote zu argumentieren. Die weiteren drei besonders häufig angeführten Argumente zur Negierung politischen Handlungsbedarf waren erstens der Einwand, dass sich eine Führungskarriere nicht oder nur schwer mit einer Familie vereinbaren lasse, zweitens die Auffassung, die Quote stelle einen massiven Eingriff in die unternehmerische Freiheit dar und drittens die die Aussage, bei der Quotendiskussion handele es sich um ein Ablenkungsmanöver der Politik, um drängendere, aber komplizierte gesellschaftliche Probleme zu verschleiern.

 

Dass der geringe Anteil von Frauen in Führungspositionen ein Problem darstellt, wurde von kaum einem Journalisten oder einer Journalistin bestritten (lediglich drei Prozent der analysierten Autoren vertraten diese Auffassung). Im Untersuchungssample zeigten sich jedoch eindeutige Unterschiede zwischen den drei untersuchten Zeitungen: Die Artikel der SZ plädierten eher für eine politische Lösung und also die Einführung einer Quote; in der FAZ und in der Welt überwogen deutlich Artikel, die gegen eine politische Lösung (Quote) argumentierten. Interessant hierbei: In der Welt fand sich kein einziger Artikel, in dem (eindeutig) für die Einführung einer Quote plädiert wurde.

 

Unterschiede finden sich auch zwischen den Ressorts: Im Wirtschaftsressort trat in 37 Prozent der analysierten Artikel eine kritische Haltung gegenüber der Quote zutage und nur 21 Prozent der dort erschienenen Artikel befürworteten die Quote. Auch auf der Meinungsseite überwogen die kritischen Kommentare mit gut 40 Prozent; in immerhin 30 Prozent der Meinungsbeiträge dort wurde die Quote befürwortet oder eher befürwortet. Ganz anders im Politikressort: In 76 Prozent der Texte dort ist die Haltung des Autors/der Autorin nicht erkennbar, und nur in knapp 8 Prozent der Artikel in diesem Ressort wurde die Frauenquote klar abgelehnt.

 

Ein Zusammenhang zwischen dem Geschlecht der AutorInnen und ihrer Haltung zur Frauenquote konnte nicht nachgewiesen werden.

 

Sonja Salzburger ist (Stand 14.4.2019) Redakteurin in der Videoredaktion der Süddeutschen Zeitung, zuständig für die Produktion von Videos für die Nachrichtenwebsite (sz.de), die Digitalausgabe der SZ sowie deren Social-Media-Kanäle.