Das Krisenmanagement von Hilfsorganisationen in exogenen Krisen am Fallbeispiel der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan

Bachelorarbeit von Lisa Göttler

(Sommersemester 2022)

Hilfsorganisationen sind bei ihrer Arbeit in Krisengebieten häufig Gefahren und Konflikten ausgesetzt. Um ihre Arbeit erfolgreich und ohne die Gefährdung von Mitarbeitenden leisten zu können, ist erfolgreiches Krisenmanagement erforderlich. Diese wissenschaftliche Arbeit setzt sich mit der Frage auseinander, wie gut Hilfsorganisationen die theoretischen Grundlagen des Krisenmanagements in der Praxis umsetzen. Da auch die Kommunikation mit allen Beteiligten entscheidend ist, beschäftigt sich eine zweite Forschungsfrage mit den verschiedenen Zielgruppen, die berücksichtigt werden müssen.


Die Untersuchung erfolgt mittels qualitativer Interviews mit sechs Hilfsorganisationen unterschiedlicher Größe. Dafür werden im Theorieteil zuerst wichtige Begriffe wie NGOs, Krisen, Krisenmanagement und Krisenkommunikation erläutert. Dann folgen allgemeine Empfehlungen des Krisenmanagements und der Krisenkommunikation, die auf dem „Leitfaden Krisenkommunikation“ des Bundesministeriums des Innern (2014) in Ergänzung von zusätzlicher Literatur basieren. Wichtig ist dabei die Aufteilung des Krisenmanagements in die Phasen Vorsorge, Vorbereitung, Bewältigung und Nachbereitung, die in der Arbeit genauer beschrieben werden. Im Zuge der Krisenkommunikation werden offensive und defensive Kommunikation sowie interne, externe und am Krisenmanagement beteiligte Gruppen genauer betrachtet. Zuletzt werden einige Besonderheiten im Aufbau und der Arbeitsweise der Organisationen und die Situation in Afghanistan angesprochen, die einen Einfluss auf das Krisenmanagement haben.


Die befragten Hilfsorganisationen sind unterschiedlicher Größe. Die zwei kleinsten Organisationen sind nur in Afghanistan tätig und die beiden größten in mehr als 100 Ländern.


In allen Phasen des Krisenmanagements (Vorsorge, Vorbereitung, Bewältigung und Nachbereitung) zeigt sich, dass je größer die Organisation ist, desto mehr die empfohlenen Maßnahmen werden umgesetzt. Die kleineren Organisationen setzen oft nur einzelne empfohlene Maßnahmen um, was zur Folge hat, dass sie weniger Handlungsspielraum haben. Sie sind meist dazu gezwungen, auf verschiedenste Herausforderungen zu reagieren, während großen Organisationen durch die Vorbereitung mehr Handlungsspielraum bleibt und sie in ihrer Arbeit kaum eingeschränkt sind.


In Bezug auf die Kommunikation in einer exogenen Krise sind die Organisationen nur geringfügig dazu gezwungen, sich zu rechtfertigen. Ihre Reputation ist nicht gefährdet und in erster Linie ist die interne Kommunikation zum Schutz ihrer Mitarbeitenden entscheidend. Um Projekte vor Ort weiterführen und die durch die Krise entstandenen Mehrkosten tragen zu können, wird die externe Kommunikation allerdings ebenfalls schnell entscheidend. Hier stehen die Organisationen vor dem Problem, den Fokus auf ihre Arbeit lenken zu müssen, auch nachdem die Krise in den Medien für beendet erklärt wurde. Sie sind gezwungen, eine offensive Kommunikationsstrategie zu verfolgen. Untereinander haben die Organisationen in Afghanistan sehr viel Kontakt, was ihnen bei Verhandlungen und der Organisation ihrer Arbeit hilft.


Die Forschungsergebnisse müssen vor dem Hintergrund der Situation in Afghanistan gesehen werden, die sicherlich einen Extremfall darstellt. Aber auch hier zeigt sich, dass gerade kleinere Organisationen in vielen Bereichen noch nachbessern können. Ein größeres Sample könnte zu mehr Rückschlüssen führen, ab welchem Grad der Professionalisierung große Handlungsspielräume erhalten bleiben. Auch die genauere Betrachtung der Unterschiede in endogenen und exogenen Krisen und damit verbundene Empfehlungen bilden Spielraum für weitere Forschung.