Überlegungen aus der Berufspraxis: Wie Social Media die PR-Arbeit verändern.

Ein Gastbeitrag von Jonas Grashey

Einleitung

Die Berufspraxis professioneller Kommunikatoren aus Marketing und PR wandelt sich im Zuge der digitalen Transformation der Medienindustrie rasant. Mobile Inhalteerstellung und -nutzung sowie gefallene Zugangsbarrieren zum publizistischen Wirken führen zu verschiedenen Paradigmenwechseln der grundlegenden Logik medialer Prozesse, auch zu solchen, die persuasive Kommunikation betreffen. Insbesondere die Etablierung sozialer Medien im Kommunikationsalltag der meisten Rezipienten spielt dabei für die Berufspraxis eine alles verändernde Rolle.

Dies stellt Kommunikationsverantwortliche aller Organisationsformen vor neue Herausforderungen; auf einen Teil davon wird hier eingegangen – die im Folgenden beschriebenen Beobachtungen entstammen 20 Jahren praktischer Erfahrung und drei Jahren Lehrtätigkeit am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU; sie sind nicht empirisch validiert, aber eignen sich als zu überprüfende Hypothesen, zum Beispiel in zukünftigen Seminaren der sehr geschätzten Jubilarin.

Publizistische Einheiten

Die grundlegende Disruption kommunikativer Prozesse und Strukturen hat sich nicht nur aufgrund eines neuen multimedial verwertbaren Aufschreibsystems (digital) und eines in vielerlei Hinsicht überlegenen Verbreitungsweges (online) ergeben, darauf aufbauende neue Rezeptionsmöglichkeiten (mobile) und die daraus entstehende Geschwindigkeitszunahme (live) haben ebenso ihren Teil zur neuen Kommunikationswirklichkeit beigetragen – ein weiterer zentraler Faktor, der viele tradierte Gewissheiten obsolet macht, ist der freie Zugang für alle auf den Markt der Publizisten (social). Es bedarf keines monetären Startkapitals, keiner kostbaren Ressourcen, keiner außergewöhnlichen Fähigkeiten, um seine Stimme weltweit vernehmbar zu machen. Niemand muss schwere Maschinen anschaffen, Angestellte finden oder das Programmieren erlernen, noch nicht einmal ein einfaches Redaktionssystem muss beherrscht werden. Ein Twitter-Account als Sendefrequenz reicht bereits aus, das Redaktionsbüro befindet sich in der Tasche der Medienschaffenden, die notwendigen Fähigkeiten für den Start erschließen sich autodidaktisch. Auch Erlösquellen können ohne große Infrastruktur schnell erschlossen werden.

Dementsprechend hat sich die mediale Kommunikationskultur rasant gewandelt; es wird mehr und schneller kommuniziert. Eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Akteure drängt in den öffentlichen Diskurs –  nennen wir sie hier pauschal: neue Publizisten. Viele von ihnen werden in vereinfachenden Begriffsschubladen verräumt, die ihre Tätigkeit allerdings nie inhaltlich beschreiben: Blogger, Vlogger, Microblogger, Influencer, Netzaktivisten, Podcaster etc. Häufig werden sie sogar gleich mit ihrem bevorzugten Vertriebsplattformen gekennzeichnet – Instagrammer, Snapper, Youtuber.

Einige der neuen Publizisten bezeichnen sich auch selbst so, andere verbitten sich dies. Die ungeschützte Berufsbezeichnung des Journalisten beanspruchen nur wenige der neuen Publizisten aktiv für sich; in den Augen vieler stehen Journalisten für jene Kommunikationsschemata, die sie mit ihrer individualisierten Form medialen Wirkens überwinden, erweitern oder ergänzen wollen; gleichzeitig fordern sie von Kommunikationsverantwortlichen die gleiche Form der Wertschätzung und Anerkennung, die klassischen Pressevertretern entgegen gebracht wird. Inwiefern dieser Forderung nachgekommen wird, unterscheidet sich von Branche zu Branche stark.

Die Relevanz

Chefredaktionsprinzip? Ressortprinzip? Sorgfaltspflicht? Trennungsgebot? Vieles, was für jede publizistische Einheit, für jede journalistische Organisation und Redaktion in unserem Kulturkreis als selbstverständlich und unverhandelbar gilt, befindet sich noch im Vagen, wenn es um Verantwortung und Pflichten semiprofessioneller Kommunikatoren geht, beispielsweise im Spannungsfeld von freier Meinungsäußerung und Schleichwerbeverbot, dies insbesondere im Lifestyle-Bereich. Gesetzgeber, Interessenverbände und Industrie befinden sich derzeit in einer Findungsphase, deren Dauer sich diametral verhält zur Veränderungsgeschwindigkeit des zu verhandelnden Kommunikationsphänomens.

Die Reichweiten neuer Publizisten sind oft enorm groß, in der Regel dank klugem Einsatz sozialer Medien. Sie übersteigen nicht selten jene klassischer Medienmarken. Allerdings sind es nicht hohe Reichweiten, von denen sich Kommunikatoren leiten lassen sollten, mehr wiegt die Qualität der erreichten Kontakte – also ein organisch gewachsener Bestandteil der Abonnenten, Zielgruppengenauigkeit, Zielgruppenqualität, Interaktionsraten, Verweildauer. Hiermit korreliert sehr stark die sehr unterschiedlich wahrgenommene Glaubwürdigkeit neuer Publizisten.

In inhaltlich komplexen Kontexten haben es neue Publizisten oft weniger einfach, sich zu behaupten. Das liegt dann zum einen am durchaus hohen fachlichen Standard der etablierten Kommunikation zwischen Organisationen und Journalisten und zum anderen an der fehlenden Offenheit vorhandener Diskursstrukturen für neue Akteure, Kommunikationswege und Erzählformen. So gelingt es bislang vergleichsweise wenigen neuen Publizisten aus den Bereichen Politik und Wirtschaft, sich als Agenda Setter im klassischen Medienzirkus zu etablieren; diese wenigen genießen dafür oft eine umso höhere Reputation, denn sie gelten als durchsetzungswillig, idealistisch, unabhängig. Und oft fühlen sie sich strengen selbst auferlegten publizistischen Standards verpflichtet, arbeiten transparent und gehen in den direkten Dialog mit Kritikern. Sie können freier agieren als Vertreter klassischer Medien, da sie keine Redaktionsstrukturen oder Vorgaben eines Tendenzbetriebs berücksichtigen müssen, sie sind unabhängig in ihrer Themenwahl, sie refinanzieren ihr Wirken in der Regel nicht durch Werbegelder jener, über die sie berichten; manche nutzen Crowdfunding oder Micropayments, manche arbeiten zusätzlich als Autoren, Berater oder Dozenten.

Diesen wenigen professionellen Publizisten neuer Art steht eine Heerschar an aus dem Privaten heraus agierenden Publizisten gegenüber, die sich keinen journalistischen Standards verpflichtet fühlen und einfach nur ihre Sicht der Dinge verbreiten wollen. Auch diese verfügen gelegentlich über eine große Mobilisierungskraft im sozialmedialen Diskurs; ihr Einfluss auf Debatten und öffentliche Meinungsbildung ist daher nicht zu unterschätzen.

Anders als in Politik und Wirtschaft verhält es sich in lifestyle- und konsumaffinen Bereichen wie Mode, Schönheit, Genuss, Reisen. Aufgrund der immensen Marketingbudgets, die in den vergangenen Jahren – zuweilen durchaus aktionistisch – aus diesen Branchen in soziale Medien investiert worden sind, hat sich die kleine Gruppe professioneller neuer Publizisten rasch vervielfacht. Wobei mit professioneller Tätigkeit hier nicht das unbedingte Einhalten publizistischer Standards gemeint ist wie für die Bereiche Politik und Wirtschaft beschrieben, sondern vielmehr der Umstand, dass diese Tätigkeit der (häufig Influencer genannten) Publizisten hauptberuflich ausgeübt wird. Ihr Selbstverständnis sieht allerdings auch keine objektive Darstellung eigener Beobachtungen vor, sondern ganz bewusst eine im positiven Wortsinn egozentrische Darstellung subjektiver Empfindungen: Der Influencer steht immer im Mittelpunkt seiner Story, selten das Verhalten und Wirken anderer; eine objektiv informierende Tätigkeit ist nicht vorgesehen. Vielmehr möchten Influencer ihre Fans am eigenen Leben und dessen Singularität teilhaben lassen.

Nach dem Goldrausch auf dem Influencer-Markt und der damit einhergehenden, lange Zeit unkontrollierten werbefinanzierten Beeinflussung oft minderjähriger Rezipienten durch solche Multiplikatoren folgt eine derzeit andauernde Phase der Konsolidierung, in der sich auch im Lifestyle-Sektor ambitionierte Influencer mit Haltung und Mission von solchen abheben, die ihre sozialmedialen Reichweiten wahllos verkaufen. Auch minderjährige Rezipienten haben ein durchaus feines Gespür dafür entwickelt, was authentische Kommunikation ist – und was nicht.

Unabhängig von jeglichen Qualitätsunterschieden der Aktivitäten Einzelner in sozialen Medien gilt, dass mittlerweile fast alle neuen Publizisten und Rezipienten über soziale Medien miteinander kommunizieren. Dies hat zur Folge, dass auch Kommunikationsverantwortliche selbst und die von ihnen vertretenen Organisationen dort präsent sein müssen und aktiv am Diskurs teilnehmen sollten. Dabei unterscheiden sich die Anforderungen an persuasive Kommunikation in sozialen Medien erheblich von jenen traditioneller PR-Arbeit.

Präsenz in sozialen Medien

PR werden oft fälschlicherweise mit Pressearbeit gleichgesetzt. Pressearbeit ist ein wichtiger Teil der PR, dessen Bedeutung in einigen Branchen allerdings abnimmt. Denn digitale und insbesondere soziale Medien müssen immer häufiger von Organisationen genutzt werden, um in direkten, kontrollierbaren Kontakt mit eigenen Zielgruppen und Multiplikatoren zu treten.

Unternehmen und Organisationen müssen soziale Medien mindestens als Feedback-Kanal anbieten; also als Resonanzkörper nutzen, um bei Nachfragen, Kritik und in Krisen zu reagieren. Welche sozialen Medien im Einzelnen genutzt werden sollten, entscheiden die Zielgruppen. Dort, wo sie sind, muss auch der Kommunikator sein. Idealerweise werden soziale Medien nicht nur reaktiv, sondern auch aktiv genutzt. Die Beantwortung der Kanalfrage wird erneut vom Verhalten der Zielgruppen determiniert.

Hinzu kommt, dass die Mitglieder einer Organisation aufgrund ihrer persönlichen Aktivitäten in sozialen Medien zu authentischen und glaubwürdigen Botschaftern werden können – auch ungewollt. PR-Teams benötigen also Community-Manager, die nach innen und außen wirken. Nach innen, um Multiplikatoren in der eigenen Organisation zu identifizieren und möglicherweise in ihrem Interesse zu instrumentalisieren; nach außen, um in den direkten Dialog mit Zielgruppenangehörigen zu treten und um Multiplikatoren wie Meinungsführer sowie Journalisten zu informieren und idealerweise zu überzeugen.

Neue Fähigkeiten

Die beschriebene Heterogenität neuer Publizisten – vom freien Journalist mit Blog über den Lifestyle-Influencer bis hin zum privat motivierten Meinungsmacher – erfordert von Kommunikatoren eine neue und erweiterte Marktkenntnis. Es reicht nicht mehr, die Leitmedien und ihre Führungskräfte zu kennen. Es ist notwendig, den facettenreichen Markt neuer Publizisten einschätzen und auch gezielt adressieren zu können.

Kommunikatoren benötigen zudem zumindest ein Grundverständnis über die Funktionsweise neuer Medien. Nur mit diesem Wissen können kommunikative Entscheidungen kanaladäquat getroffen werden. Hierbei geht es nicht lediglich um ein technisches Verständnis, wie bestimmte Prozesse und Anwendungen funktionieren, es bedarf auch eines kommunikationskulturellen Gespürs dafür, welche Gepflogenheiten in einer medialen Umgebung üblich sind. Innerhalb einer Organisation müssen daher idealerweise Experten für alle gängigen Mediengattungen, Techniken und Erzählformen versammelt sein. Sie müssen hierarchieunabhängig als Ratgeber für ihre jeweiligen Bereiche gehört und in die operative Kommunikationsarbeit eingebunden werden.

Neue Kommunikationszyklen

Der Drang vieler neuer Publizisten, Informationen immer schneller, nicht selten sogar live mit dem Publikum zu teilen, erfordert von Kommunikatoren, jederzeit auf Veröffentlichungen reagieren zu können. Deshalb müssen Kommunikationsabteilungen und Agenturen in ständiger Bereitschaft sein. Mithilfe verschiedener Evaluationsinstrumente schaffen sich Kommunikatoren Software-basierte Alarmsysteme, von denen sie informiert werden, sobald relevante Themen auf die Agenda sozialmedialer Diskurse rücken.

Issues Management

Die Bewertung kommunikativer Sachverhalte und die Entscheidung, ob und wie zu reagieren ist, nimmt dem Menschen letztlich kein Messinstrument und keine künstliche Intelligenz ab. Die strategische Steuerung persuasiver Kommunikation bleibt eine analoge und menschliche Angelegenheit, bei der häufig emotionale Regungen rationaler Abwägungen bedürfen. Aufgrund der zunehmenden Geschwindigkeit von Kommunikation kommt der detaillierten Vorbereitung auf potenzielle Krisenszenarien eine wachsende Bedeutung zu. Definierte Positionen, abgestimmte Stellungnahmen, zu informierende Personenkreise müssen vorbereitet sein und ermöglichen schnelles Handeln. Wichtig ist zudem, dass Organisationen relevante Kanalfragen beantworten, also simulieren, in welchen sozialen Netzwerken sie wahrscheinlich zum Thema werden können. Auf diesen Plattformen muss die Organisation präsent und jederzeit handlungsfähig sein. Ausgeklügelte Sprachregelungen helfen wenig, wenn sie nicht die richtigen Adressaten erreichen. Ein Pressemitteilungsversand beruhigt keinen Twitter-Shitstorm. Die kürzeren Kommunikationszyklen bringen es allerdings auch mit sich, dass Themen zuweilen früher wieder von der Agenda verschwinden. Die gebotene Schnelligkeit darf daher nicht in übereilte Maßnahmen münden; innere Gelassenheit und der selbstkritische Austausch mit eigenen Ratgebern sind gute Begleiter, um sich vor Fehlern zu schützen und unliebsame Themen mit unnötiger zusätzlicher Bedeutung aufzuladen.

Glaubwürdigkeit

Die Möglichkeit, den direkten Dialog mit den eigenen Zielgruppen zu führen, sollte genutzt werden. Zwar ist dieser Weg mit erhöhtem Ressourceneinsatz und der Anwendung neuer Kommunikationstechniken verbunden, doch die Investition zahlt sich aus. Idealerweise bewegen sich Kommunikatoren schon aus persönlicher Neigung und tatsächlichem Interesse auf den Plattformen, die für die eigene Organisation besonders relevant sind – so wirken sie authentischer und nahbarer. Es ist zeitgemäß und notwendig, sich in jene Kommunikationsarenen zu begeben, in denen die eigene Sache thematisiert wird. Nur so können die erforderlichen Rahmenbedingungen für glaubwürdige Kommunikationsarbeit geschaffen werden – diese hängt letztlich unverändert von der Substanz des kommunizierten Inhalts ab, ganz kanalunabhängig – oder wie es ideologiefrei auch bezeichnet wird: medienagnostisch.

Kommunikatoren sollten allen professionell arbeitenden Publizisten mit der nötigen individuellen Ansprache in sozialen Medien gegenübertreten. Unabhängig davon, ob es sich um Redakteure, freie Journalisten, Blogger oder Influencer handelt. Oft sind es die Newsstreams sozialer Medien, wo Themen unabhängig staatlicher Grenzen und berufsständischem Dünkel schnell und klar auf die Agenda gehievt werden und so auch Eingang in die Berichterstattung klassischer Medien finden, deren neu entstandene, zusätzliche Funktion auch das Kuratieren, Bewerten und Einordnen der unübersichtlichen Masse sozialmedialer Inhalte geworden ist. Hierdurch gelingt es einigen klassischen Medien auch, einen neuen Leitanspruch zu formulieren. Zumal es nicht nur die schiere Menge neuer Inhalte ist, die viele Rezipienten überfordert, es ist auch die beschriebene qualitative Diskrepanz der Arbeit neuer Publizisten. Die Glaubwürdigkeitsfalle auf dem Feld der Influencer, gerade im Bereich der Lifestyle-Kommunikation, ist dabei besonders zu beachten. Hier haben viele kreative, zumeist sehr junge, werbefinanzierte, hinsichtlich journalistischer Qualität ihres Wirkens bewusst anspruchslose Akteure für eine Renaissance der Wertschätzung von objektiver, sorgfältig recherchierter journalistischer Arbeit geführt. Der Leitmediumsanspruch vieler redaktioneller Medien erfährt eine neue Berechtigung, wenn sie sich den veränderten Kommunikationsrealitäten öffnen, wenn auch sie zu Sendern und Empfängern in den sozialmedialen Arenen werden und die erwähnte Orientierungshilfe zu leisten imstande sind.

Die Beschreibung der Veränderung publizistischer Realitäten ist in diesem Zusammenhang deshalb wichtig, weil Kommunikatoren diese Realitäten stets schnellstmöglich antizipieren und darauf reagieren müssen. Glaubwürdigkeitskrisen bestimmter Teilbereiche bergen daher auch immer Gefahren für Kommunikatoren.

So ist beispielsweise der Einsatz werblicher Mittel im Bereich sozialer Medien für die PR-Arbeit derselben Organisation höchst relevant. Der wahllose Ressourceneinsatz von Marketingbudgets in diesem Bereich bringt Beliebigkeit und Flüchtigkeit mit sich; der Eindruck, Werbung würde ohne großen Sachverstand oder Berücksichtigung eines schlüssigen Storytellings geschaltet, ist imageschädigend und strahlt sehr negativ auf die PR-Bemühungen ab. Für PR-Arbeit sollte dieses Instrument ohnehin nur in Ausnahmefällen, nur ergänzend und transparent, eingesetzt werden; hier sollte die inhaltliche Argumentation im Austausch mit Publizisten in sozialen Medien im Vordergrund stehen. Bei aller sinnvollen Trennung von Marketing und PR ist es daher notwendig, die Social-Media-Strategien einer Organisation gemeinsam zu erarbeiten und umzusetzen – aus dem beschriebenen Grund, dass sich in sozialen Medien Publizisten, Werbeträger oder Meinungsmacher die Arena teilen.

Sobald offensichtlich versucht wird, Meinungsführer nicht mehr inhaltlich zu überzeugen, sondern ihren Einsatz mit Werbegeld zu kaufen, entsteht eine Glaubwürdigkeitsfalle. Auch, weil (wie oben beschrieben) das Selbstverständnis neuer Publizisten weit auseinanderklafft. Während einige sehr idealistisch einer publizistischen und journalistischen Mission folgen, sehen sich andere fast ausschließlich als aufmerksamkeitsstarke Werbeträger. Diese zweite, schnell wachsende Gruppe  ist es, die der Reputation vieler neuer Publizisten schadet.

Denn es gibt durchaus auch im Lifestyle-Sektor sehr professionell arbeitende, verdientermaßen hoch anerkannte neue Publizisten – und diese sind es, die von Kommunikationsverantwortlichen mit den klassischen Inhalten persuasiver Kommunikation in passender Form adressiert werden müssen. Es sind diese Akteure innerhalb sozialer Medien, die hier als Leitpublizisten wirken, die Orientierung geben und zitiert werden; ähnlich wie es Leitmedien für andere Journalisten tun.

Schluss

Kommunikationsverantwortliche müssen dort reagieren können und idealerweise auch agieren, wo ihre Zielgruppen und relevanten Multiplikatoren meinungsbildend aktiv sind – zunehmend in sozialen Medien. Dafür benötigen Kommunikationsverantwortliche ein aktuelles Verständnis der Kommunikationsrealität, müssen also rund um die Uhr empfangen, müssen neue publizistische Akteure kennen und ein Verständnis für neue Technologien, Anwendungen und die daraus resultierende Kommunikationskultur und deren Glaubwürdigkeitsfallen entwickeln. Es entstehen neue Anforderungen an verschiedene Gattungen der Kommunikation, insbesondere an das Issues Management. Beruhigend für Studierende dieser Materie: Das Berufsbild verändert sich derzeit rasant, wird komplexer, der selbstverständliche Umgang mit sozialen Medien ist für PR-Profis der Zukunft ein Muss – aber die strategischen Entscheidungen über die Inhalte des Storytellings werden bei aller Digitalisierung nach wie vor und auch in Zukunft ganz analog von Menschen getroffen. Es zählt letztlich Substanz. Eine per Fax verschickte idiotische Presseerklärung bleibt auch auf Instagram: eine idiotische Presseerklärung.

 

Über den Autor

Jonas Grashey hat nach dem PR-Volontariat bei einem Fernsehsender und der Redakteursausbildung an der Deutschen Journalistenschule sozialwissenschaftliche Diplome in Paris (Panthéon-Assas) sowie in München (LMU) erworben. Er hat mehr als zehn Jahre als freier Journalist gearbeitet (Print, Online, TV) und ebenfalls mehr als zehn Jahre als PR Manager (auf Agentur- und Unternehmensseite); derzeit ist er im kaufmännischen Bereich eines Medienkonzerns in leitender Funktion tätig. Er versucht sich seit Jahren an einer Dissertation am Lehrstuhl der Jubilarin.