Das Spannungsverhältnis zwischen Management und PR: Unterschiede in Verständnis und Erwartungen bei Unternehmen

Diplomarbeit von Silke Offergeld (Wintersemester 2007/08 im Studiengang “Journalistik”, Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung, LMU München)

Die Studie beschäftigt sich mit den Erwartungshaltungen des Unternehmensmanagements gegenüber Public Relations. Sie befasst sich konkret mit der Frage, welche Unterschiede es im Verständnis von und hinsichtlich der Erwartungen an PR bei der Unternehmensleitung einerseits und bei PR-Verantwortlichen andererseits gibt. Hier werden also die Vorstellungen der Organisationsleitung über PR-Leistungen mit jenen Vorstellungen verglichen, die die betreffenden PR-PraktikerInnen selbst über professionelle PR-Leistungen und -Funktionen im Unternehmen haben. Die Frage hierbei ist u.a. auch, ob existierende Unterschiede in den Sichtweisen beider Gruppen möglicherweise auch die Ursache dafür sind, dass PR-Verantwortliche im Unternehmen vielfach nicht strategisch und/oder nach best-practice-Modellen der PR arbeiten können.

Die theoretische Fundierung der Arbeit fußt auf zwei Ansätzen zum Verständnis von PR – dem betriebswirtschaftlichen und dem kommunikationswissenschaftlichen Ansatz. Die Berücksichtigung eines PR-Verständnisses aus betriebswirtschaftlicher Perspektive erfolgt vor allem vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Fragestellung hier am Fallbeispiel von Unternehmen (als spezifischem Organisationstypus) untersucht wird. Die besondere Herausforderung hierbei liegt allerdings darin begründet, dass betriebswirtschaftliche und kommunikationswissenschaftliche Sichtweisen auf PR sehr unterschiedlich sind. Deshalb kann z.B. erwartet werden, dass diese grundlegenden disziplinären Unterschiede im Verständnis von PR einen Einfluss haben dürften auf die berufliche Sozialisation der beiden Befragtengruppen und sich damit sehr wahrscheinlich auch Unterschiede ergeben beim Vergleich der Erwartungshaltungen beider Berufsgruppen gegenüber der Leistung und Funktion von PR in und für Unternehmen.  

Als weitere theoretische Fundierung beschäftigt sich die Arbeit mit Befunde bereits vorliegender Forschung zum beruflichen Selbstverständnis von PR-PraktikerInnen in Deutschland sowie mit bestehenden Befunden der sogenannten PR- Professionalisierungsforschung. Die Befunde aus solchen berufssoziologischen PR-Studien lassen ebenfalls erwarten, dass es Diskrepanzen bei den Erwartungshaltungen der beiden Befragungsgruppen ‚Management‘ und ‚PR-Personal‘ gibt. Die Frage ist allerdings, wie genau sich diese Diskrepanzen darstellen. Dieser Frage geht die vorliegende Studie explorativ anhand von Leitfadeninterviews nach.

Die Ergebnisse der Arbeit deuten darauf hin, dass sich die Erwartungen der Unternehmensleitungen an die PR fast ausschließlich auf den Bereich ‚Presse-/Medienarbeit‘ beziehen. Passend hierzu räumen auch die befragten PR-Verantwortlichen Presse-/Medienarbeit in ihrem PR-Verständnis einen hohen Stellenwert ein. Insgesamt erlauben es die Befunde dieser Untersuchung nicht, hinsichtlich der gegenseitigen Leistungs- und Funktionserwartungen an PR von einem ‚Spannungsverhältnis‘ zwischen PR-Verantwortlichen und Management zu sprechen. Es scheint eher so, dass die PR-Verantwortlichen ihr Verständnis von PR-Arbeit stark an solchen Vorstellungen ausrichten, die in der höchsten Führungsebene über PR vorherrschen.

Im Hinblick auf den Professionalisierungsprozess des Berufes können diese Befunde allerdings als problematisch gewertet werden: Die PR-Praktiker orientieren sich in ihrem PR-Verständnis an den Erwartungen der Unternehmensleitung (Funktion ‚Pressearbeit‘ und ‚Verkaufsförderung‘). Dabei gelingt es ihnen eher nicht, PR-Leistungen und -Funktionen durchzusetzen, die unabhängig (oder gar abweichend) hiervon für ein breiteres Verständnis professioneller PR-Arbeit stehen. Dadurch kommt es eher selten zu der Möglichkeit, auch erweiterte strategische Funktionen der PR zu verfolgen und umzusetzen.

Dies ist zusammen mit der Entscheidungshoheit der Führungselite sehr wahrscheinlich die Ursache dafür, dass PR in Unternehmen nicht immer so praktiziert wird, wie sie nach professionellen Grundsätzen praktiziert werden könnte/sollte/müsste. Die Befunde der Studie liefern PR-Praktikern und dem Unternehmensmanagement eine ganze Reihe von Ansatzpunkten für ein zielführendes Aushandeln unterschiedlicher Positionen und Erwartungshaltungen und können so zu einer Verbesserung tatsächlich praktizierter PR in Unternehmen beitragen.