Die Auswirkungen von Pressemitteilungen auf die Aktienkurse börsennotierter Unternehmen im Krisenfall.

Masterarbeit von Carolin Melanie Köppel (Sommersemester 2016 bei Professor Dr. Romy Fröhlich, Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung, LMU München) 

 

Kurzzusammenfassung
Der Erfolg oder Misserfolg kommunikativer Krisenbewältigung zeigt sich bei börsennotierten Unternehmen unter anderem daran, wie Medien über die Krise und deren Bewältigung durch das primär betroffene Unternehmen berichten. Von besonderer Bedeutung ist zudem die Entwicklung der Unternehmensaktie an der Börse, die gerade im Krisenfall unter erheblichen Verlusten leiden kann. Die vorliegende Forschungsarbeit konzentriert sich daher auf die Frage, ob sich kommunikative Krisenbewältigung auch auf die Entwicklung des Aktienkurses eines primär von einer Krise betroffenen Unternehmens auswirkt. Die Untersuchung kombiniert eine quantitative Inhaltsanalyse von Pressemitteilungen betroffener Unternehmen in der Krise (Primärerhebung) mit einer Aktienkursanalyse (Sekundärerhebung) und einer Kontextanalyse, bei der (krisen-)relevante Ereignisse als Eventschiene den einzelnen Analyseschritten zugrunde gelegt werden. Gegenstand der Studie sind vier vergleichsweise prominente Unternehmenskrisen und -skandale bei Siemens, BP, Lufthansa und VW. Für die systematische Analyse der Unternehmenskommunikation dieser Unternehmen sowie der Wirkungen dieser Kommunikation auf die Aktienkursentwicklung wurden Pressemitteilungen mit und ohne Krisenbezug im Untersuchungszeitraum miteinander verglichen. Die Befunde der Studie liefern interessante Hinweise zur Frage, welchen Einfluss kommunikative Krisenbewältigung auf Unternehmensbewertungen an der Börse hat.

Die Befunde der Studie belegen erwartungsgemäß zunächst einmal, dass es deutliche Unterschiede zwischen der Unternehmenskommunikation während und ‚außerhalb‘ von Krisenzeiten gibt: Die für jedes Unternehmen typischen Muster zu Stil, Senderintention und Argumentationsstrategie von Pressemitteilungen werden bei allen vier Unternehmen im Krisenfall aufgebrochen. Dies zeigt sich zum einen daran, dass Pressemeldungen ohne Krisenbezug ‚überwiegend tatsachenbetont‘ sind, während im Krisenfall auch Pressemitteilungen zu finden sind, die ‚überwiegend emotional‘ sind. Dieser Eindruck wird zudem verstärkt, wenn man sich mit den Senderintentionen während und ‚außerhalb‘ von Krisenzeiten beschäftigt: Im Krisenfall dient die Kommunikation vorrangig der Beziehungspflege, (mögliche) Vertrauensverluste bei Stakeholdern sollen aufgefangen werden. Die Kommunikation dient dann nicht nur der Vermittlung von Information, sondern von Glaub- und Vertrauenswürdigkeit.

Was die Frage angeht, wie genau sich in der Krise die Einflussmöglichkeiten von Pressemitteilungen auf Kursbewegungen von Unternehmensaktien darstellen, sind die Befunde dieser Studie erst einmal ernüchternd: Insgesamt zeigen die vorliegenden Daten nur einen eher schwachen Zusammenhang zwischen Kommunikationsverhalten und Börsenkurs. Nur bei einem der vier untersuchten Unternehmen – nämlich bei VW – zeigt sich ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der Veröffentlichung von Pressemitteilungen und der Kursentwicklung an der Börse. Damit ergibt sich nur bei VW ein signifikantes Modell, mit dem Varianzen bei der Kursbewegung mit krisenbezogenen Kommunikationsbotschaften in Pressemitteilungen erklärt werden können. Und: Die in bisher vorliegenden anderen Untersuchungen gemachte Beobachtung, dass vor allem Personalentscheidungen in schwierigen Unternehmenslagen und Krisen deutliche Durchschlagskraft auf die Aktienkursentwicklung eines Unternehmens haben, kann diese Studie nicht bestätigen.

Der generelle Befund dieser Studie, wonach es insgesamt nur schwache Zusammenhänge zwischen konkreter Krisenkommunikation und Börsenkursen gibt, ist überraschend. Möglicherweise determinieren die spezifischen Besonderheiten und genauen Umstände einer Unternehmenskrise den Einfluss von unternehmerischer Krisenkommunikation auf den Aktienkurs stärker als bisher angenommen – mehr jedenfalls als die tatsächliche kommunikative Performance selbst. Zukünftige Forschung zu Krisenkommunikation und Aktienkursbewegungen sollte deshalb die Analyse konkreter Krisencharakteristika deutlich stärker in den Fokus nehmen als das in bisherigen Studien (und damit auch in dieser) der Fall ist.

 

Carolin Köppel promoviert derzeit (Stand 11.04.2019) am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU. Ihr Dissertationsprojekt wird von der Studienstiftung des deutschen Volkes gefördert.