Hedonische und eudaimonische Unterhaltung als taktische Mittel von PR

Masterarbeit von Julian Lowell

(Sommersemester 2020)

PR, die durch Storytelling auf der narrativen Ebene öffentlicher Kommunikation darauf ab-zielt, Spaß zu bereiten, nutzt im Internet einerseits möglicherweise wertvolle Spielräume im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit des Publikums. Andererseits besteht das Risiko, dass ein solches Handeln durch PR nicht den Erwartungen von Rezipierenden entspricht und aus organisationsperspektive negative Konsequenzen nach sich zieht. Dieses Spannungsfeld zwischen Information und Unterhaltung gewinnt an zusätzlicher Dynamik, wenn Unterhaltung nicht als rein hedonisches Erleben verstanden wird. Neben ‚enjoyment‘, das von Spaß und Spannung geprägt ist, verstehen Zwei-Prozess-Modelle der Unterhaltung ‚appreciation‘ als weiteren Aspekt des Unterhaltungserlebens. Hierbei werden das Empfinden von Bedeutsamkeit oder das Gefühl emotional berührt zu sein, als eudaimonische Unterhaltung bezeichnet.

Hedonische und eudaimonische Unterhaltung können auf Basis von Erkenntnissen der poli-tischen Unterhaltungsforschung mit unterschiedlichen kognitiven Informationsverarbeitungsprozessen verknüpft werden: Während enjoyment aufgrund einer oberflächlichen Ver-arbeitung zu impliziten Effekten führt, regt appreciation eine ergebnisoffene Gedankenanre-gung an, die in reflexiven Effekten mündet.

Die vorliegende Forschungsarbeit untersucht Implikationen des Einsatzes hedonischer und eudaimonischer Unterhaltung durch PR auf Basis der Betrachtung von Auswirkungen auf Handlungsabsichten, Wissen und Einstellungen von Rezipierenden sowie ihrer Wahrnehmung der Glaubwürdigkeit eines Unternehmens. Hierfür wurde eine experimentelle Online-Befragung durchgeführt. Proband*innen wurden auf drei Gruppen verteilt und gebeten, ei-nen von drei Texten zu lesen. Während zwei Texte jeweils ein hedonisches bzw. eudaimoni-sches Unterhaltungserleben auslösen sollten, diente ein dritter Text, der nicht unterhaltend war, als Kontrollbedingung.

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass sowohl hedonische als auch eudaimonische Unterhaltung als taktische Mittel von PR eingesetzt werden können. Hedonische Unterhal-tung führt im Vergleich zu einem Text, der nicht unterhaltsam ist, zu keinen negativen Konsequenzen. Zwar wird die Glaubwürdigkeit des Unternehmens von Rezipierenden des hedonisch unterhaltenden Textes signifikant niedriger bewertet als von den übrigen Rezipierenden – die zugeschriebene Glaubwürdigkeit befindet sich trotzdem auf einem Niveau, das die Be-zeichnung als Unglaubwürdig nicht rechtfertigt.

Die Inklusion eudaimonischer Unterhaltung in die Betrachtung des taktischen Einsatzes von Unterhaltung durch PR unterstreicht, dass Unterhaltung nicht bloß als weitere Darstellungs-form strategisch-persuasiver Kommunikation betrachtet werden sollte. Appreciation ist ein signifikanter Prädiktor von Absichten, weitere Informationen zu suchen und sich über ein Thema auszutauschen; von subjektivem Wissen, das durch das Gefühl der Informiertheit gekennzeichnet ist; und von einer Steigerung der zugeschriebenen Glaubwürdigkeit eines Unternehmens.

Bei der Übertragung der Erkenntnisse dieser Arbeit auf die PR-Praxis ist aufgrund der ho-hen Kontextualität der Befunde Vorsicht geboten. Die im Kontext der Kommunikation eines fiktiven Elektroautomobilherstellers entstandenen Erkenntnisse zeigen, dass sich hedonische und eudaimonische Unterhaltung mit Erwartungen an (Online-)PR vereinen lassen. Hedoni-sche Unterhaltung kann im Rahmen neuer Formate eingesetzt werden, um die Aufmerksam-keit für Inhalte zu steigern. Die Ergebnisse bezüglich eudaimonischer Unterhaltung unter-streichen, dass Unterhaltung insbesondere vor dem Hintergrund normativer Erwartungen an PR als wertvolles taktisches Mittel verstanden werden kann. Vor allem für Organisationen, deren Kommunikation als Auslöser eines öffentlichen Diskurses dienen soll, stellt eudaimo-nische Unterhaltung ein aussichtsreiches Instrument des Kommunikationsmanagements dar.