„Zur Wahrnehmung und Wirkung von PR in nicht PR-originären Online-Angeboten.“

Masterarbeit von Marie Richter

Mit dem Internet und den darauffolgenden Veränderungs- und Ausdifferenzierungs-prozessen des Mediensystems sind neue Öffentlichkeiten (z. B. Themenplattformen, soziale Netzwerke) neben die klassischen Medien getreten. Diese Entwicklung wirkt sich auf die Arbeits- und Funktionsweisen von publizistischen Teilsystemen, wie Public Relations (PR), und das Informationsverhalten der Gesellschaft aus. Wissenschaftlerinnen ist dieser Wandel bekannt; trotzdem ist die Rezipientinnenperspektive auf strategisch-persuasive (Online-)Inhalte bisher kaum Gegenstand der PR-Forschung gewesen. Diese Masterarbeit setzt in der vorliegenden Forschungslücke an und beschäftigt sich mit der Wahrnehmung und Wirkung von PR in nicht PR-originären Online-Angeboten aus Sicht von Nutzerinnen. Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit bilden PR-originäre Online-Inhalte, die eine nicht PR-originäre Anmutung haben. Diese nicht PR-originäre Anmutung drückt sich vor allem in einer journalistischen Aufbereitungs- und Darstellungsweise aus, welche zur Folge hat, dass PR von Rezipientinnen als verbindliche Fremddarstellung wahrgenommen werden kann. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Entwicklung Folgen auf die Wahrnehmung und Wirkung von Online-Angeboten bei den Rezipient*innen hat, die nicht mehr eindeutig zuordnen können, ob die Inhalte mit denen sie konfrontiert werden, einen unabhängigen oder interessengeleiteten Ursprung haben.

211 Probandinnen wurden im Rahmen einer experimentellen Online-Befragung mit einem von zwei Stimuli konfrontiert: Einem strategisch-persuasiven Artikel mit nicht PR-originärer Anmutung (Basecamp) oder einem journalistischem Artikel (Deutsche Welle). Die Ergebnisse haben gezeigt, dass PR-Inhalte mit nicht PR-originärer Anmutung im Internet aus Perspektive von Nutzerinnen (N = 211) sowohl in Hinsicht auf inhaltliche als auch auf formale Eigenschaften journalistisch aufbereitet werden. Somit stellt Qualität aus Nutzerinnenperspektive kein hilfreiches Unterscheidungskriterium mehr dar. Zugleich fällt es Nutzerinnen im Web schwer, PR und Journalismus korrekt voneinander zu unterscheiden, wenn PR eine nicht PR-originäre Anmutung hat: 26% der Probandinnen waren in der Lage, den PR-Stimulus richtig zu identifizieren, während 77% der Befragten Journalismus als solchen erkannten. Dagegen wurde der PR-Stimulus von 55% der Teilnehmerinnen für Journalismus gehalten, 19% waren sich in Bezug auf selbigen unsicher.

Es konnten relevante Merkmale der in der Befragung verwendeten Stimuli identifiziert werden, die für die entsprechende Zuordnung ausschlaggebend waren. Die Studie verdeutlicht, dass es vor allem inhaltliche Eigenschaften von Online-Inhalten sind, die Nutzerinnen dazu verleiten, PR-Artikel mit nicht PR-originärer Anmutung für Journalismus zu halten, während sie durch die Beachtung formaler Aspekte eher in der Lage sind, den tatsächlichen Urheber eines Artikels zu identifizieren. Am häufigsten führten die Nutzerinnen Unterscheidungskriterien an, die sich unter den Kriterien ‚Transparenz‘, ‚Unabhängigkeit‘, ‚Vielfalt‘ und ‚Professionalität‘ zusammenfassen lassen.

Trotz einer überwiegend fehlenden Fähigkeit, zwischen PR (mit nicht PR-originärer Anmutung) und Journalismus im Internet korrekt unterscheiden zu können, hat die Mehrheit der hochgebildeten, eher medienkompetenten und jungen Teilnehmerinnen angegeben, zwischen Public Relations und Journalismus unterscheiden können zu wollen, vor allem um die Intention eines Inhalts zu beurteilen und um Inhalte richtig einordnen zu können. Entsprechende Bewertungskompetenzen sollten daher vermittelt und trainiert werden. Für einige Probandinnen gehört diese Fähigkeit auch zur Allgemeinbildung. Ursache, warum Nutzerinnen nicht zwischen Public Relations und Journalismus unterscheiden (können) wollen ist überwiegend Desinteresse. Einige Teilnehmerinnen gaben außerdem an, dass für sie vor allem der Inhalt an sich, nicht aber der Ursprung oder die Intention, mit der ein Artikel veröffentlicht wird, relevant ist.

Als signifikanter Einflussfaktor auf die Unterscheidungsfähigkeit von Nutzerinnen wurde die Bildung identifiziert, während das Alter, das Geschlecht sowie die Mediennutzung oder das Interesse am Thema keinen Einfluss auf die Fähigkeit der Probandinnen hat, zwischen PR mit nicht PR-originärer Anmutung und Journalismus korrekt differenzieren zu können.

Verschiedene Entwicklungen legen die Vermutung nahe, dass sich diese Form von PR in den kommenden Jahren weiter verbreiten wird. Allerdings könnte die unerkannte Verbreitung von strategisch-persuasiven Inhalten auf der nahezu wichtigsten Informationsplattform der Gesellschaft demokratische Meinungs- und Willensbildungsprozesse nachhaltig gefährden. Deshalb gilt es die Chancen, Risiken und Folgen auch in kommenden Forschungsvorhaben näher zu beleuchten.